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Simrock

(Mitglied)

An alle Beteiligten:
Danke für die Erklärungen, die Operation werde ich bei einer
20-Cent-Marke nicht vornehmen! Aber nun interessiert mich als naturwissenschaftlich Gebildeten aber noch was da passiert ist. Erzählt mir nichts von Folieschäden!
Die abgebildete Marke hat ein kleiner Junge 1909 in ein
Schulheft zusammen mit 500 anderen Marken geklebt, alle sind
farblich normal nur eben diese nicht. Also hat wohl ein Be-
standteil der Druckfarbe mit Luft reagiert. Wie muß man sich
das vorstellen?
04.01.12, 23:35:17

Joerg

(Mitglied)

Ich versuch's mal zu erklären:
in einigen alten Farben ist Blei enthalten. Dieses Blei verbindet sich mit Schwefel zu Bleisulfid - und schon sieht die Farbe anders (dunkler) aus.

Wo kommt nun der Schwefel her? - Zum Beispiel aus der völlig normalen Umgebungsluft. Gegebenenfalls kann diese Umgebungsluft durch Heizungsabgase oder Industrieabgase entsprechend "schwefelgeschwängert" sein - muss sie aber gar nicht, "normale" Luft reicht da schon aus.

Ob die Folien den Prozeß unterstützen, indem sie bei ihrer Herstellung als Stabilisator zugesetzten Schwefel an den Blei in den Briefmarken abgeben - oder ob die Folien den Prozeß unterstützen, indem sie ein Mikroklima schaffen, in dem die Reaktion mit dem von anderswo stammenden Schwefel schneller/besser stattfinden kann, ließ sich noch nicht eindeutig klären - und Hersteller sind ohnehin der Meinung, dass die ganzen Foliengeschichten nur erfunden worden sind, um sie zu schädigen. Dieser Herstelleransicht schließe ich mich vorsichtshalber an, um Schadenersatzansprüche zu vermeiden. lachen

Also: es braucht keine Folie, um einen Bleisulfidschaden hervorzurufen (wenn es auch mit Folie in der Regel schneller und zuverlässiger gelingt zwinkern ). Möglicherweise herrschte in dem Heft - oder um das Heft herum - ein "begünstigendes" Klima. Oder aber, wenn innerhalb des Heftes manche Marken geschädigt sind und andere in unmittelbarer Nähe (= gleiches Klima) nicht, dann stammen die Schäden aus dem Leben der Marken vor dem Heft. Oder das Heft hatte "auseinanderstrebende" Ecken, so dass das Klima innerhalb der Seite wechselte (Druck- und Lichtverhältnisse) - dann müssten jeweils die Marken, die auf verschiedenen Seiten die gleiche Position einnehmen, in ähnlicher Weise geschädigt sein - wenn sie den gleichen Bleianteil in der Farbe haben (Faustregel: je röter, desto bleier).

Und ganz unabhängig vom Blei kann man praktisch jede Briefmarkenfarbe durch Sonneneinstrahlung ändern - und viele Farben auch durch Baden in Essig oder ähnlichen haushaltsnahen Substanzen. Das muss ja gar nicht in manipulativer Absicht geschehen, vielleicht kam nur der Briefumschlag beim Lesen des Briefinhaltes versehentlich auf dem Küchentisch in einer "Essigpfütze" zum Liegen. Kann man alles mit einer kaputten Marke oder mit Massenware einmal in Ruhe ausprobieren - dann bekommt man ein Auge für das, "was geht".

Von einem Bad der Briefmarke in Schwefelsäure rate ich allerdings dringend ab (obwohl der Farbumschlag deutlich ist, schnell geschieht und unumkehrbar ist) - und noch mehr davon, eine in Schwefelsäure gefallene Briefmarke mit bloßer Hand wieder rauszuholen. Wer sehen will, was dabei passiert, lässt einfach mal ein weißes, glattes Papiertaschentuch in Schwefelsäure fallen - das wird so schnell schwarz und schrumpelig, so schnell kannst Du gar nicht gucken.

Just my two cents - ein Chemiker könnte es natürlich viel korrekter erklären, möglicherweise dann aber auch so, dass es nur ein anderer Chemiker verstehen könnte ...
05.01.12, 00:12:39

admin_j

(Mitglied)

Hallo simrock,

ich dachte bei dem H2O2-Bad auch nicht an Werterhöhung, sondern an den Aha-Effekt.

Zu der Folienproblematik kann sich jeder selbst ein Bild machen. Man braucht nur ein paar kaputte Stücke dieser billigen Schwedenmarken. Die schneidet man irgendwie in der Mitte durch und platziert je ein paar Hälften in einer Lindner Briefschutzfolie oder einem Safe Omniablatt (ich weiß nicht ob sich die Zusammensetzung geändert hat, ältere Blätter funktionieren jedenfalls) und die anderen Hälften in Hawidtaschen und Pergamintüte oder sogar weichmacherhaltige Büroblattschutzhüllen. So jedenfalls, dass beide Arten unter Luftabschluss stehen. Um das noch zu verstärken, legt man noch schwere Bücher auf die Testobjekte. Wer nach ca. 6 Monaten nachsieht, wird feststellen, dass nicht der Luftabschluss die Ursachen ist, sondern der Effekt durch bestimmte Folien verstärkt wird.

Ich kann aber auch ein gutes Wort für die umstrittenen Folien einlegen. Falls die untergebrachten Objekte keine bleihaltigen Farben enthalten, sind die Folien sehr gut zum Schutz von Papier und Briefmarken geeignet, sofern kein fluoreszierendes Papier dabei ist.

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05.01.12, 14:38:05

Hugo67

(Mitglied)

Ist denn eigentlich gesichert, dass es sich um Bleisulfid handelt, das gebildet wird oder könnte es auch eine Reduktion des Chromatanteils sein wie hier bei Van Gogh-Gemälden beschrieben ?
Von Gelb nach Braun bei Van Gogh
05.01.12, 16:07:43

Parsifal

(Neues Mitglied)

Hallo Hugo, Jörg und Leser des Forums,
die Frage nach dem Bleisulfid PbS als Verursacher ist "absolutely clear", und Jörg, als Chemiker will ich mindestens versuchen, populärwissenschaftlich zu erklären.
In der Vergangenheit wurden u.a.Farbpigmente, in der Regel anorg. Salze, in der Malerei und auch beim Farbdruck verwendet, die zwar schwerlösich sind aber reaktiv sein können. Als Beispiel nehme ich Chromgelb, PbCrO3, das auch van Gogh in dem vorigen Beitrag benutzt hatte. Die wichtige Grösse, die für die Beurteilung der noch vorhandenen Reaktivität dieser Pigmente ist das sog. Löslichkeitsprodukt KL bzw. der negatve log. -pKL Beispiel:
Pb** + S2- ------- PbS p Kl 29 , schwarzer Niederschlag
Diesen Wert erhält man, wenn man das MWG auf das Gleichgewicht anwendet als Gleichgewichtskonstante KL und bedeutet, das der Festkörper nur die extrem geringe Konzentration von 10^-29 mol2/l2 frei verfügbar bildet. Dagegen hat das schöne gelbe Bleichromat einen pKL -Wert von ca. 13. Obwohl ein Festkörper, hier liegen 10^ +14 !!!!!! mehr Ionen an Pb (II) vor, die in einer Langzeitreaktion von Jahren mit Schwefelwasserstoff H2S, in der Atmosphäre nach obiger Gleichung zu schwarzem PbS reagieren. Woher kommt H2S? H2S ist das natürliche Abbauprodukt von Proteinen, speziell der Aminosäure Cystein, die die HS- Gruppe enthält (denke an faule Eier!!) Gleiche Prozesse kennt ihr, wenn z.B. Silbermünzen über lange Zeit schwarz werden, Bildung von schwarzem Ag2S pKl 49!! Oder Bleiweiss als Lack für Fenster: dieser dunkelte in der Vergangenheit nach, wegen der Umwandlung von Bleicarbonat PbCO3 x 0,5Pb(OH)2 in das nun bekannte schwarze PbS. Auch wegen der Giftigkeit wurde Bleiweiss zunächst durch ZnO und dann TiO2 substituiert. Aber: Zinnoberrot HgS. Quecksilber-II-sulfid ist sehr beständig wegen pKL 57. Auch vanGoghs Bild leidet m.E. unter S2- und nicht unter Reduktion von Cr(VI) zum grünen Cr(III)-Ion. Natürlich kann die Festkörper-Reaktion bei Anwesenheit eines geeigneten Reduktionsmittels nicht ganz ausgeschlossen werden.
Sulfidhaltige Farbpigmente spielten im Mittelalter und danach eine bedeutende Rolle: Auripigment As4S6, bronzegelb und sehr giftig,
Ultramarin-blau ein stabiles synthetisches Polysulfid 1701, das das im MA extrem teure Ultramarin des Lapislazuli (nur für das Gewand der Madonna!) ersetzte. Die Vielfalt der Farbigkeit der Sulfide ergibt sich aus der leichten Polarisierbarkeit der Valenzelektronen am Schwefel durch das Kation.
Die Gruppe dieser Farb-Pigmente wurde zunehmend durch synthetische Farbstoffe ersetzt: Berliner-Blau (Preussischblau) Fe3(Fe(CN)6, (1704), Anilin-Farben(Pararot Red1)und eine Vielzahl org. Farbstoffklassen, wobei die Vorgänger der IG Farben (Höchst, BASF, Bayer u.a.) herausragende FuE geleistet haben. Die elektronischen Prozesse für die Farbigkeit der Stoffe sind sehr unterschiedlicher Natur und abhängig von den chemischen d.h. elektronischen Strukturen. Letzlich werden durch unterschiedliche Lichtwellenlängen Molekülschwingungen, Elektonenzustände und/oder -übergange und Ligandenfelder in Komplexen angeregt. Das nach der Energie-Absorption aus dem Wellenlängen-kontinuum des weissen Lichts verbleibende Spektrum erfassen wir dann als die sichtbare Farbigkeit. Mit dieser wissenschaftlichen Erkenntnis lassen sich heute chemische Molekülstrukturen entwickeln, die die gewünschte Farbigkeit ergeben.
PbS hat in diesem Sinne mit der ganzen Folien-Problematik nichts zu tun. Es ist bereits viel, auch von Fachleuten, dazu geschrieben worden. M.E. ist es eine Frage der Weichmacher im Polymer, die in einer sehr langsamen Diffusions-Reaktion die Marken penetrieren. Neue Polymermaterialien, die diese Prozesse nicht erlauben, scheinen offenbar das unangenehme Problem zu beheben.
09.03.13, 18:06:26
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