Die Deutsche Post hätte einfach eine Blumenmarke für 3 cent herausbringen können. Es sind noch genügend Motive frei (z.B. die bekanntesten Gartenblumen wie Geranie oder Fleissiges Lieschen). Dann hätte niemand gemeckert. Man ist aber diesmal einen ungewohnten Weg gegangen, was Motiv und Grösse betrifft. Dann muss sich die Deutsche Post der Kritik stellen.

Im Jahre 1997 gab es eine Ergänzungsmarke zu 10 Pfennig. Aus das Motiv wurde damals kritisiert, da vor lauter Autos und Lastwagen für Kinder kein Platz auf der Strasse sei.

Und Briefmarken sind nun mal Gebrauchskunst, die auch von Stammtischlern wahrgenommen wird. Kunstmuseen richten sich an Laien oder hart ausgedrückt, Kunstbanausen. Die Kunststudenten sind in der absoluten Minderheit. Als Künstler kann man hübsche Landschaften oder neumodisch ausgedrückt, mainstream malen oder man macht es wie Joseph Beuys und beschmiert Badewannen mit Fett oder haut Nägel in morsche Bretter. "Jeder Mensch ist ein Künstler", Beuys wollte und hat provoziert und ist erst dadurch weltberühmt geworden.

Ich bin sehr froh, dass Briefmarkenmotive überhaupt noch von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Sonst kommt irgendwann einmal der Finanzminister oder der Bund des Steuerzahlers auf die Idee, dass eine europaweite Ausschreibung und Vergabe aller Briefmarkendesigns für zwei Jahre an eine einzige Werbeagentur viel billiger kommt, als jetzt der ganze Brimborium mit dem Kunstbeirat und den Kosten für Konkurrenzentwürfe. Viele Länder machen das bereits. Die Marken sehen dann alle gleich aus.

Auch bei klassischen Marken gibt es Gewinner und Verlierer. So könnte man die Basler Taube auch heute noch als tolles Markenmotiv verwenden. Da stimmt einfach alles, von der Auswahl des Motives bis hin zur Farbkomposition. Auch dem Entwerfer der norwegischen Posthorn-Dauerserie ist vor 120 Jahren ein Glücksgriff gelungen, sonst würde die Post das Design heute nicht mehr verwenden.

Als Briefmarkensammler bin ich mit dem modernen Design der meisten Marken auch nicht einverstanden: die künstlerische Gestaltung beschränkt sich auf eine Internetsuche nach einem geeigneten Photo und die Auswahl einer passenden Schrift. Das schafft jede Wald-und Wiesen-Werbeagentur. Wo sind Künstler von einem Format wie Gerd Aretz, Heinz Schillinger, Joachim Ries oder Manfred Gottschall, die noch selbst gezeichnet und hervorragende Entwürfe geliefert haben?

Ich zeige einmal als Alternative zu einer Ergänzungsmarke die amerikanische Variante. Dort steht alles auf der Marke aufgedruckt. Scheinbar sind in Amerika auch einfache Dinge erklärungsbedüftig.